Donnerstag, 12. August 2010

Sexismus & Homophobie I: Blut- & Organspendeverbot für homosexuelle Männer

Die Nachricht traf mich wie ein Schlag. Das Radio lief, ich war noch etwas dösig und fast wieder am einnicken. Dann kam plötzlich das: "Blutspendeverbot für homosexuelle Männer unabhängig vom Sexualverhalten". Und ich war hellwach.

Darauf folgte die Suche im Internet. Hier ein beispielhafter Artikel:
Blutspendeverbot: Homosexuelle fühlen sich diskriminiert (RP ONLINE, 10.08.2009)

Allgemeine Auffälligkeiten: Der Titel des Artikels "Homosexuelle fühlen sich diskriminiert" wirkt etwas verschroben. Zum einen wird suggeriert, es handle sich hier um eine rein subjektive Wahrnehmung und keine "objektive" Diskriminierung, wie sie in diesem Fall tatsächlich explizit und schamlos betrieben wird. Hier wird die Perspektive Homosexueller deutlich von der angeblichen "Realität" getrennt, was in anderen Berichterstattungen der Presse nicht geschieht. Oder hat z.B. schon mal jemand gelesen "Polizei fühlte sich beleidigt", "Polizei entschied sich xy festzunehmen", "Polizei empfindet xy als gefährlich" oder ähnliches?
Wer sich über das Beispiel "Polizei" wundert: diese Kategorie wurde exemplarisch ausgewählt, weil der Unterschied in der sprachlichen Darstellung (subjektiv vs. objektiv) hierbei am deutlichsten wird, nicht um Polizist_innen zu diskriminieren. Der_die geneigte Leser_in kann spaßeshalber einmal auf der Homepage der RP in Suchfeld "Polizei musste" eingeben und wird geschlagene acht Seiten mit jeweils acht Artikeln, also insgesamt 64 Artikel, präsentiert bekommen, in dem dieser determinierende Jargon im Zusammenhang mit der Polizei gewählt wurde. Die Wahrnehmung der Polizei wird üblicherweise als objektive Realität dargestellt, neben der es keine andere gibt. Bei Homosexuellen gilt dies nicht. Hier wird in der Regel im Konjunktiv gesprochen, determinierendes Vokabular vermieden und die Perspektive von Homosexuellen explizit als subjektiv und nicht objektiv markiert, egal ob eine unbestreitbar objektive, z.B. gesetzliche, Diskriminierung vorliegt oder nicht. Diese Tendenz ist nicht nur bei der RP vorhanden, sondern zieht sich fast durch die gesamte Presselandschaft.
Zum anderen fällt die Wortwahl "Homosexuelle" ins Auge. Dabei handelt es sich bei den Diskriminierten ausschließlich um homosexuelle (und bisexuelle) Männer, nicht um Homosexuelle generell. Der Titel vermittelt allerdings entweder, dass alle Homosexuellen diskriminiert werden oder dass Homosexualität - wie es meist der gesellschaftlichen Praxis entspricht - automatisch als "männlich" oder "schwul" gedacht wird, als gäbe es keine homosexuellen Frauen. Vielleicht sorgen letztere im öffentlichen Diskurs nicht (mehr) für eine derartige Empörung? Fragt sich nur warum ein Großteil der (heterosexuellen) Welt sich von schwulen Männern derart bedroht fühlt, inklusive teilweise stark ausgeprägtem Hass, Ablehnung und Ekel... Aber das nur als Gedanken am Rande, die - so es Zeit und Muße zulassen - in einem gesonderten Blogeintrag behandelt werden.

Nun aber zum Inhalt des Artikels: Ich bin sprachlos. Diese Regelung war mir bisher unbekannt.
Nicht nur, dass AIDS als "Schwulenkrankheit" zu propagieren, maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich der HI-Virus erst so gut verbreiten konnte, weil sich alle anderen Gruppen außerhalb der "Gefahrenzone" wähnten. Nein, hier wird Schwulendiskriminierung als legitime Form von Homophobie dargestellt, an der angeblich jeder "vernünftige" Mensch ein Interesse zu haben hat.
Das was die werten Entscheidungsträger/innen hier tun nennt man in der Wissenschaft einen ökologischen Fehlschluss:
Es wird vom Verhältnis der festgestellten HIV-Infektionen auf eine gesamte gesellschaftliche Gruppe und auf jedes dieser Gruppe zugeordnete Individuum geschlossen.

Warum ist das so fatal?

1. Die reale Anzahl von HIV-Infizierten ist unbekannt, es wird ausschließlich von bestehenden Diagnosen ausgegangen. Wer sich nicht testen lässt, bei dem kann auch keine HIV-Infektion festgestellt werden. Vielleicht sind schwule Männer einfach wesentlich verantwortungsvoller und es lassen sich prozentual wesentlich mehr Personen dieser Gruppe auf HIV testen als heterosexuelle Männer/Frauen oder homosexuelle Frauen. Das Verantwortungsbewusstsein schwuler Männer dann noch als Munition zu verwenden, diese komplette Gruppe und jeden schwulen Mann zu diskriminieren, ist ein unmissverständliches Signal von Heimtücke oder zumindest von ausschweifender Ignoranz. Es wird sich sicherlich kein schwuler Mann, der positiv auf HIV getestet wurde für eine Blut- oder Organspende zur Verfügung stellen. Wie hoch ist jedoch der Anteil der Heterosexuellen, die sich regelmäßig auf HIV testen lassen? Der dürfte verschwindend gering sein, weil sich diese Menschen häufig nicht des Risikos bewusst sind und sich weniger betroffen fühlen.

2. Wie hoch ist die Anzahl an HIV-infizierten, schwulen Männern und wie hoch ist die Anzahl der homosexuellen Männern insgesamt? Das Verhältnis wird sicherlich enorm auseinanderklaffen. Zudem wäre es auch interessant zu wissen, wieviele homosexuelle Männer, die sich einem HIV-Test unterziehen eine negative Diagnose bekommen, d.h. dass sie kein HIV haben. Hier wird suggeriert als seien schwule Männer per se HIV-infiziert. Dabei sind sie nicht infiziert, sie werden stigmatisiert. Das zwei völlig unterschiedliche Dinge. Hier wird nicht mit Fakten operiert, sondern mit bestehenden Ressentiments und Vorurteilen. Warum sonst wird bei heterosexuellen Männern differenziert und bei homosexuellen oder bisexuellen Männern pauschalisiert?

3. Bei jeder Blut- oder Organspende wird man auf entsprechende Krankheiten untersucht, zumindest sollte das geschehen. Blutspendeskandale, wie in diesem Artikel geschehen, den homosexuellen Männern in die Schuhe zu schieben ist schlichtweg unverschämt. Das Versäumnis bzw. das Sicherheitsrisiko liegt hier bei den Institutionen, die gespendetes Blut bzw. Organe nicht sicherheitsgemäß auf Krankheiten untersuchen.
Homosexuelle Männer dürfen selbst dann nicht Blut spenden, wenn sie keine Sexpartner haben oder in rein monogamen Beziehungen leben und einwandfrei HIV-negativ getestet wurden.
Da es seit ca. 30 Jahren homosexuellen Männern in Deutschland verboten ist Blut und Organe zu spenden, können die immer wieder vorkommenden Probleme mit solchen Spenden auch nicht dieser Personengruppe angelastet werden, da das infizierte "Material" gar nicht von ihnen stammen kann. Dennoch passieren solche "Pannen" immer wieder, was darauf schließen lässt, dass riskantes und unverantwortliches Verhalten an anderer Stelle vorliegt.

4. Homosexuell/bisexuell und männlich zu sein bedeutet nicht promiskuitiv zu sein. Heterosexuell oder lesbisch zu sein bedeutet auch nicht ein monogames Leben zu führen. Auch ein promiskuitives Leben zu führen beinhaltet nicht zwangsläufig einen unverantwortungsvollen Umgang mit Verhütungsmitteln. Es gibt viele promiskuitive Menschen, die wesentlich bessere Sicherheitsvorkehrungen beim Geschlechtsverkehr treffen, als Menschen die sich einer seriellen Monogamie verschreiben, oder die in Partnerschaften leben und heimlich fremdgehen.
Es gibt auch viele heterosexuell lebende Menschen, die in festen Partnerschaften leben, in denen mindestens einer der Partner auch mit anderen Menschen sexuell verkehrt und diese Menschen weigern sich dennoch Kondome zu benutzen mit der Begründung Kondome würden nerven - Tja, "Geschlechtskrankheiten nerven auch", könnte man darauf erwiedern. Wieviele heterosexuelle oder lesbische Menschen gibt es, die sich sprichwörtlich "durch die Welt vögeln" oder die neben dem festen Partner heimliche One-Night-Stands oder Affären haben, und um dies weiterhin zu verheimlichen nicht plötzlich mit dem Präservativ anrücken wollen und sagen "Hallo Schatz, ich hab mit jemand anderem geschlafen und zu deiner Sicherheit machen wir es jetzt mit Kondom bis bei mir jegliche Geschlechtskrankheit ausgeschlossen wurde"? Viele dieser Menschen unterziehen sich keinen regelmäßigen HIV-Tests, wie es ein verantwortungsvoller Umgang mit seinen Sexpartnern eigentlich gebieten würde. Dennoch werden heterosexuelle und lesbische Personen nicht pauschal nach sexueller Orientierung diskriminiert und unter Generalverdacht gestellt, nur weil es mehr oder weniger viele Menschen ihrer Gruppe zu vielen Sexpartnern oder riskantem Sexualverhalten hinzieht. Zudem gibt es auch viele heterosexuell lebende Menschen, die Analsex praktizieren und auch schwuler Sex beschränkt sich nicht auf den Anus.

5. HIV/AIDS ist keine reine Geschlechtskrankheit. Der Virus wird über viele Wege übertragen, in denen er mit einer (nicht unbedingt sichtbaren) Körperwunde in Berührung kommt und in den Blutkreislauf eindringen kann. Einer davon ist der Geschlechtsverkehr. Wann wird nun endlich das Märchen von der "Schwulenkrankheit" AIDS verbannt und erkannt, dass wir alle einem mehr oder weniger großen Risiko ausgesetzt sind? Die Verantwortlichen für das Blutspendeverbot halten dieses Märchen bewusst aufrecht: sie forcieren Ressentiments gegenüber schwulen Männern (man bedenke, dass damit auch jeder Schwule als "HIV-ansteckend" stigmatisiert wird, wie ein Leprakranker!) und wiegen damit automatisch die anderen Personengruppen in Sicherheit, die dann denken "wir sind ja keine Risikogruppe, uns kann das nicht so leicht passieren". Ein verantwortungsvoller, konsequenter, aber gelassener Umgang mit dem Thema AIDS und HIV in allen gesellschaftlichen Gruppen wäre wesentlich mehr im Interesse der Gesundheit aller Menschen, als jeden homosexuellen Mann an den Pranger zu stellen. Schließlich müsste sonst auch jeder Mensch, der mit Schwulen Kontakt pflegt, ihnen allein schon die Hände schüttelt, als Risikogruppe klassifiziert werden, oder schwule Männer müssten vollkommen vom Rest der Gesellschaft isoliert werden. Das wäre in der Tat an Menschenverachtung nicht zu toppen. Und selbst dann gäbe es - auch wenn es Homophoben nicht ins Weltbild passt - HIV und AIDS. Der HI-Virus ist in dieser Hinsicht nämlich sehr egalitär und wählt sich seinen Wirt nicht nach dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung aus.

Bleibt zu fragen, inwiefern es sinnvoll ist, das Sexualleben eines Menschen derart detailliert auseinander zu nehmen (und diese Daten womöglich auch noch an die Krankenkassen weiterzuleiten? Stichwort: Datenschutz), oder sich vielleicht doch eher an realen Fakten zu orientieren, d.h. Sicherheit dort zu gewährleisten, wo sie Sinn macht und unbedingt notwendig ist: nämlich im medizinischen Bereich auf tatsächlich vorliegende Krankheiten zu testen. Das ist ein wesentlich besserer Ratgeber als Personengruppen aufgrund ihrer geschlechtlichen Präferenzen zu stigmatisieren. Es scheint mir auch eine reine Symptombekämpfung oder ein Ablenkungsmanöver zu sein, die Sicherheit von gespendetem Blut und Organen an den Merkmalen "homosexuell" und "männlich" festzumachen. Pannen lassen sich nicht dadurch vermeiden, dass man homosexuelle Männer kategorisch ausschließt, sondern dadurch, dass das medizinische Personal verantwortungsvoll und sicher handelt. Das heißt auch, dass es im Gesundheitsbereich nicht nach Profitmaximierung, d.h. möglichst geringe Kosten bei höchstmöglichem Gewinn, auf Kosten von Mitarbeiter/innen, Gesundheit und Sicherheit gehen darf. Hier liegt viel mehr im Argen als bei schwulen Männern. Auch wenn man diese - aufgrund ohnehin schon bestehender Homophobie in der Gesellschaft - leichter vors Loch schieben kann, statt sich mit den Ursachen von medizinischen Sicherheitsmängeln zu beschäftigen.
Auf die Sicherheit der Menschen, die die Spenden empfangen zielt diese Praxis sicherlich nicht ab. Ich fände es enorm zynisch und menschenverachtend, wenn ich vor mich hin vegetiere, obwohl ich von einem gesunden schwulen Mann eine wundervolle, gesunde Niere bekommen könnte, dieser sie aber nicht spenden und ich sie nicht empfangen darf, nur weil er schwul ist.

Irgendwelche Scheinargumente wurden schon immer für Homophobie angewendet, sei es das Verbot von homosexuellen Kontakten zwischen Männern, das bis 1994 in der ach so demokratischen Bundesrepublik Deutschland galt, oder die Diskriminierung von Homosexuellen im Adoptions- und Eherecht. Diese "Argumente" basieren stets auf kulturellen Ressentiments, die mit angeblichen "objektiven Gefahren" versucht werden zu verschleiern bzw. zu legitimieren. Das mag im konkreten Fall vielleicht auch daran liegen, dass die Kirchen einen nicht unerheblichen Einfluss in diesem Bereich haben. Ein Schelm, wer böses dabei denkt...

Ich stelle mich hier eindeutig auf die Seite der homosexuellen Männer und gegen jegliche Diskriminierung. Ich finde es ist längst überfällig, dass dieses Thema an die Öffentlichkeit kommt und frage mich, warum das erst jetzt passiert. Ich bin sicher, die meisten Menschen wussten bisher nichts von dieser unverschämt homophoben, sexistischen Praxis.

Wie sieht es eigentlich mit der Beschäftigung von homosexuellen Männern im medizinischen Bereich aus? Dürfen schwule Männer auch nicht als Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter praktizieren, weil sie schwul sind? Das wäre die selbe abstruse Logik und daher durchaus denkbar.

Donnerstag, 15. Juli 2010

The Ethics of Capitalism - or: Why is carrot-and-stick policy a moral obligation?

I encountered the following remark on the so called neo-liberal "Turbo"-Capitalism which puzzled me a lot but at the same time made me understand my own point of view much better - why I find capitalism itself repulsive, in its fundamental functional principle, and why I will probably not be satisfied and take it easy if the 'oh so bad' "Neoliberalism" is gone and the 'good old' "Rhenish Capitalism" finds its way in again.

"If neoliberalism implies ruthless economic competition, the dismantling of the welfare state, and the survival of the fittest, then society is loosing its “civility” in the sense of mutual respect, bonds of solidarity, and its moral obligation to protect those who are marginalized and deprived. Neo-liberalism, understood in this way, results in the hegemony of some parts of civil society over other parts, both within and across nations (Chomsky 1999). Globalization is then only a euphemism for “Turbo-Capitalism” (Luttwak 1999), the both domestic and transnational pursuit of the maximization of profit and market shares."(1)

The deprived and marginalized ones are not marginalized and deprived by nature or an "invisible hand" - as this mode of expression suggests - and they neither deprive or marginalize themselves. They're being marinalized and deprived. But by whom? Those who "should have" a "natural" moral obligation are displayed as those who - collectively - "lose" it or refuse it. But is it not illogical that those who marginalize and deprive others should have a moral obligation to "protect" those who they marginalize and deprive? They should first marginalize and deprive for then having a moral obligation to protect? Is the moral obligation a self-serving obligation which needs the marginalization and deprivation of others in first place, to make the "Deprivors" and "Marginalizors" self-affirmatively feel "moral", free of guilt, if they fulfil their obligation to "protect"? Well, protect from what? In this sense "protection" only serves the proceeding of marginalization and protection - not the end of it. Must there not be whether the moral obligation to not marginalize and deprive someone in first place or none at all? I support the former. How can moral be an obligation anyway, if it is at times obligatory and at other times totally not? How can people who refuse to show solidarity be called immoral while it is considered legitimate to refer to "factual constraints" and the "logic of the market" while recklessly exploiting others to one's self-seeking with a good conscience without being accused to be hypocritical? This is one of the contradictions in a capitalist society: on the one hand individuals are made fully responsible for their bad luck and fortune, but on the other hand ironically there are immediate claims "there is no alternative!" at every critical who wants to make a different, an ethically motivated, but at all a choice and encourages others to do so. The term "factual constraint" actually loses its effect - at least to me - if it is permanently misused for self-justification, of fear to have a crumb less of one's ten cakes if everyone would do it differently, more socially - more like everybody wants to be treatet themselves-, and to muzzle every critical voice or at best every thought of doubt. This is the reason why I will neither stop at nor fight for a "regulation", "de-neoliberalization" or "humanization" of capitalism but for an abolition of capitalism as a whole. Don't blame me!



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(1) Rucht, Dieter: Social Movements Challenging Neo-liberal Globalization, S. 9 in URL, In: Pedro Ibarra (ed.), Social Movements and Democracy, New York, 211-228, URL: http://www.wzb.eu/zkd/zcm/pdf/rucht02_social_movements.pdf [10.07.2010]

Samstag, 3. April 2010

17.04.2010, ab 11 Uhr Vegan-Brunch im Café Lübke

Die Trierer VeganerInnen laden ein zum Brunch!

Datum: Samstag, 17.04.2010, ab 11 Uhr
Ort: Café Lübke, Theodor-Heuss-Allee 18, 2 Min. Fußweg vom HBF

Was euch erwartet: ein leckeres, reichhaltiges veganes Buffet in entspannter, tageslichtdurchfluteten 70er-Jahre-Retro-Atmosphäre zum Selbstkostenpreis. Gern dürft ihr zusätzliches veganes Essen beisteuern. Getränke werden vom Lübke zu den üblichen, bezahlbaren Preisen verkauft. Besonders empfehlenswert: die veganen Shakes und Sojamilchkaffee/Cappuccino. Es gibt sogar Agavendicksaft. =)

Wir freuen uns auf euer zahlreiches Erscheinen,
die Trierer Veganer_innen

E-Mail: triervegan@safe-mail.net
Blog: www.triervegan.blogsport.eu

Sonntag, 6. Dezember 2009

Kultusministerkonferenz rocken!

Die alljährliche Kultusministerkonferenz tagt dieses Jahr am 10.12. in Bonn.
Die Beteiligten des Bildungsstreiks, wie Schüler, Studentinnen, Angestellte, Arbeitnehmer und Gewerkschafterinnen rufen zur regen Beteiligung und Nachsitzen der Kultusministerinnen und -minister auf.
Macht euch alle auf nach Bonn, wenn euch die derzeitige Bildungspolitik und Ausrichtung der Gesellschaft stinkt. Sollen Bildung und gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten von der Menge des Kapitals abhängen? Das ist keine Demokratie der Gesellschaft und all ihrer Subkulturen, sondern institutionalisierter Sozialdarwinismus mit (Schein-)Mehrheitsdiktatur!

Auf zur KMK, demonstrieren, blockieren, demontieren!

Bei diesem Streik gehts nicht nur um Studierende:
SchülerInnen - besetzt eure Schulen!
ArbeiterInnen & Angestellte - besetzt eure Betriebe (und übernehmt sie)!
Obdachlose - besetzt öffentlichen Raum und lasst euch nicht vertreiben, es ist auch eurer!
PolizistInnen und SoldatInnen - legt die Waffen und Knüppel nieder und stellt euch auf unsere Seite, kämpft für eure Rechte!
Alle BeamtInnen und Angestellte im Auftrag des Staates - scheißt auf den Staat und lest Bakunin, solidarisiert euch mit denen, die ihr unterdrücken sollt, besetzt eure Arbeitsämter, Wachen, Kasernen, Ausreisezentren usw.!

Also macht euch kommenden Donnerstag auf die Socken!
10.12.2009
13 Uhr
Bad Godesberg Bahnhof, Bonn

Den offiziellen und m.E. sehr trefflichen Aufruf gibts hier zu lesen: http://www.kmk-nachsitzen.de/aufrufe/

Dienstag, 13. Oktober 2009

Selbst(geißelungs)wert

In der Schule lernt man fürs Leben? Ja. Man lernt Befehl und Gehorsam, ohne aufmucken. Sonst kriegst du eins auf den Deckel. Vor allem von deinen MitschülerInnen. Wie im Leben. Nach unten wird getreten, nach oben wird geleckt. So wie sich das gehört. Wenn die Untertanen selbst zu Herrschenden, zu Arschlöchern gegeneinander werden ist das die beste Medizin gegen Widerstand und Gerechtigkeit. Alles andere wäre ja Chaos. Die eifrigsten unter den Hörigsten kommen sich dann am selbständigsten vor. In der Tat geißeln sie sich ganz selbständig, ohne dass die Herren noch etwas dazu tun müssen. Dafür werden sie gelobt, denn für die Herren ist das sehr bequem. Auch für ihr Image, es wirkt schließlich alles wunderbar freiwillig und legitim. Dann sind die Sklaven stolz auf sich, das Selbstwertgefühl steigt. Das Selbstwertgefühl steigt am meisten je höher der Herr und je mehr man nach seinem Willen handelt, je mehr man ihm untertan ist. Herr-lich Paradox.

Montag, 3. August 2009

Expertise im Journalismus: verdecktes Lobbying?

Gern wird im Journalismus, egal ob nun in Print-, Onlinemedien, Fernsehen oder Radio, auf “Expertenmeinungen” zurückgegriffen. Entsprechend einer idealistischen Theorie soll dies der Qualitätssicherung dienen und unterschiedliche “ExpertInnen” sollen unterschiedliche Aspekte eines Phänomens beleuchten, um zur Meinungsbildung und zum Wissenstransfer bzw. -austausch beizutragen.
In der Realität kann der Expertenstatus an sich aber auch zum Problem werden. Einerseits findet eine Hierarchisierung von Wissensformen statt, bei dem ein Individuum, das diesen Expertenstatus zugeschrieben bekommt, automatisch in eine höhere Position setzt: es bekommt “Vorschusslorbeeren” in Form von Vertrauen, manchmal auch blindem, und Raum sich zu artikulieren. Dabei stellt sich die Frage, aufgrund welcher Kriterien eine Person diesen Expertenstatus zugewiesen bekommt und aufgrund welcher Kriterien solch ein Status vorenthalten bleibt und wer dies entscheidet.
Ein weiterer problematischer Aspekt: kein Individuum ist frei von Interessen. Auch “ExpertInnen” nicht. Allein durch den Begriff wird aber schon Neutralität suggeriert, was die Infragestellung einer Expertenmeinung erschwert. Hierdurch kommt der Expertenrolle in unserer Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Daneben können auch äußerliche (ökonomische) Interessens- bzw. Rollenkonflikte auftreten: Aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation werden Sachverhalte im Interesse der jeweiligen Organisation dargestellt und Informationen ausgewählt. Dies machen sich sowohl NGOs, als auch Unternehmen, Wirtschaftsverbände und Think Tanks zunutze und stellen ihre jeweiligen “ExpertInnen” auf, die ihre Interessen vertreten sollen.
Durch den Expertenstatus, der häufig dazu benutzt wird bestimmte Ansichten allein durch diesen Status, unabhängig von Inhalten, als “wahrer” darzustellen als eine andere, macht sich eine Person unangreifbarer, sie besitzt also eine gewisse Macht. Zwar ist es theoretisch möglich sie öffentlich zu hinterfragen, allerdings nur, wenn man einen gleich hohen Expertenstatus innehat wie diese, was die wirksame Kritisierbarkeit deutlich eingrenzt. So kann ein gleichwertiger Diskurs nur auf Expertenebene geführt werden. Dies impliziert, dass vielen gesellschaftliche Gruppen bzw. Individuen keine gleichwertige Einflussmöglichkeit auf den öffentlichen Diskurs haben. Der Expertenstatus wird also vornehmlich zur Austragung von Interessenskonflikten, Erlangung von Macht und Verteidigung von Machtansprüchen benutzt. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Expertenrolle einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert genießt.

Auch die Massenmedien tragen ihren Teil dazu bei, wenn sie versuchen Expertise als “Objektivität” zu verkaufen, und verdecktem Lobbying Raum geben, indem als “wissenschaftlicher Experte” vorgestellt wird, wer vornehmlich Interessen bestimmter Organisationen vertritt.
Häufig werden diese Hintergründe nicht transparent gemacht, was zusätzlich für die RezipientInnen Probleme bereitet die Aussagen entsprechend einzuordnen. Wenn dann auch noch ein Ungleichgewicht erzeugt wird, indem vornehmlich “ExpertInnen”, die bestimmte Interessen bewerben, bevorzugt werden, führt das die eingangs genannte Vorstellung von Expertise als gegenseitige Aufklärung, Wissensvermittlung und Diskurs ad absurdum. Bestimmte Interessen werden als Expertenmeinungen dargestellt und damit als “Wahrheit” neutralisiert. Andere Interessen werden vom Neutralitätsanspruch ausgegrenzt und sind damit weniger glaubwürdig.

Um zu veranschaulichen was dies bedeutet: Es ist sicherlich einleuchtend, dass ein von RWE beauftragter “Experte” das Problem der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken anders argumentativ aufbereiten und für eine anderen Umgang damit plädieren würde als eine Robin Wood-”Expertin”. Wenn beiden der gleiche Status in Form von Glaubwürdigkeit, Fairness und Redezeit eingeräumt wird, ist von Seiten der Medien Ausgewogenheit gewährleistet. Falls der RWE-Lobbyist als “Kernkraft-Experte” vorgestellt wird, die Robin Wood-Lobbyistin aber als “Anti-AKW-Aktivistin” wird ein gleichwertiger Diskurs von journalistischer Seite von vornherein ausgeschlossen. Dies kann auch erreicht werden, indem der RWE-”Experte” viel häufiger mediale Auftritte bekommt als die Robin Wood-”Expertin” und damit mehr Chancen hat für “seine” Interessen zu werben und andere davon zu überzeugen. Diese verschiedenen Strategien können auch kombiniert auftreten, was ihre Wirkung noch verstärkt.
Dass dieses Problem nicht nur theoretisch auftreten kann, sondern sich tatsächlich in Teilen der Massenmedien, so oder ähnlich abspielt, sollen folgende Beispiele aus Polit-Talkshows der ARD verdeutlichen:
Laut einer Analyse der mittlerweile eingestellten Sendung “Sabine Christiansen” von der Initiative Lobby Control (1) fand eine überwiegend einseitige Einladung von “Experten” [fast ausschließlich Männer] aus dem marktliberalen Spektrum statt. Sie wurden meist als “wissenschaftliche Experten” für ein Thema vorgestellt und ihrer Universität bzw. ihrem Institut zugeordnet. Viele dieser eingeladenen “Experten” standen u.a. in Verbindung mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (eine vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall geförderten neoliberalen Reforminitiative; Abk. INSM), ohne dass diese Hintergründe offengelegt wurden. Ein kritischer Wissenschaftler wurde hingegen als linker Ökonom vorgestellt und damit ideologisch verortet, ohne dass andere als “rechte” oder “marktliberale Ökonomen” vorgestellt wurden. Die Anzahl von Gästen aus Sozialverbänden oder zivilgesellschaftlichen Organisationen war verschwindend gering. Auch bei Sendungen, die soziale Themen zum Schwerpunkt hatten, kamen maßgeblich Arbeitnehmerinteressen zu Wort.
In der ARD-Talkshow “Anne Will” ist ebenfalls ein gehäufter Anteil einseitiger Interessen zu beobachten, wie u.a. die taz am Beispiel der überproportionalen Beteiligung von INSM-BotschafterInnen aufzeigt. (2, 4) Brisant ist hierbei auch die enge Verbindung der Person Anne Will zur INSM, für die sie u.a. im Jahr 2002 einen Kongress moderierte. INSM-Botschafter sind anscheinend nicht nur in Polit-Talkshows gefragte Gesprächspartner, sondern werden bei ARD und SWR auch gern als “Experten” zu bestimmten Themen interviewt.

Dass ausgerechnet die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten so offensichtlich einseitige Interessen bedienen verwundert, wenn man sich den § 8 (Programmgestaltung) des NDR-Staatsvertrages ansieht:
“Der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. Er hat sicherzustellen, dass
1.die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte aus dem Sendegebiet im Programm angemessen zu Wort kommen können,
2.das Programm nicht einer Partei, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient und
3. in seiner Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden.
Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness und in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen. Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur Selbstständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen.” (3)
[Ähnliches gilt für die Programmgrundsätze des SWR]

Diese Entwicklung der Medien hin zu Werbeflächen einseitiger Meinungsmacher auf Kosten von Pluralität verschärft Probleme, die mit dem Expertenstatus ohnehin verbunden sind, wenn seitens der Medien nicht auf Ausgewogenheit der Interessen geachtet wird:
“Die Förderung von nahestehenden Experten und Wissenschaftlern als „Botschafter“ bestimmter Ideen und Interessen gehört zu den wichtigen Strategien, mit denen eine gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit betrieben wird. Diese Strategie setzt darauf, dass zum einen diese Experten qua ihrer Rolle als Wissenschaftler eine höhere Glaubwürdigkeit besitzen und zum anderen ihre Lobby-Funktion selten thematisiert wird. Deshalb gehört es zu den journalistischen Aufgaben, solche Verbindungen gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen.” (Zitat: Analyse Lobby Control (1), S. 14 f.)

Massenmedialer Journalismus muss seinen Beitrag dazu leisten, dass ZuschauerInnen beurteilen können welche Interessen in einer Sendung oder anderen Publikation vertreten werden und welche nicht und letztlich auch, dass Ausgewogenheit von Interessen gewährleistet wird. Schließlich sonnen sich (insbesondere die öffentlich-rechtlichen) Medien gern in der Rolle der pluralistischen Interessensvermittlung und Repräsentation vielfältiger gesellschaftlicher Kräfte - und ziehen daraus nicht einen unerheblichen Teil ihrer Legitimation.

(1) www.lobbycontrol.de
(2) www.taz.de
(3) hh.juris.de
(4) www.ruhrbarone.de

Antispeziesismus - Wieso, weshalb, warum? Wer nicht liest bleibt dumm.

"Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern. Er will unter sich keine Sklaven sehn' und über sich keine Herrn."1

Antispeziesismus – ein kontrovers diskutiertes Thema, auch und insbesondere in der 'linken' Szene. Oft wird der Diskurs kaum inhaltlich, sondern polemisch geführt. Eigentlich ausschlaggebende, tief verwurzelte Emotionen, Ängste, Machtansprüche werden mit teils absurden Scheinargumenten verschleiert. Dieser Artikel soll einen kleinen Beitrag dazu leisten, die Diskussion über Antispeziesismus wieder auf einer sachlicheren normativen Ebene zu führen.

Speziesismus, was ist das eigentlich? Speziesismus ist die Diskriminierung, Unterdrückung und Ausbeutung eines Individuums aufgrund seiner Artenzugehörigkeit. Wahrgenommende Unterschiede werden als Legitimationsgrundlage verwendet, um andere Spezies zu unterdrücken. Nach den von Menschen aufgestellten Kriterien 'anders' sein ist im Speziesismus gleichbedeutend mit Minderwertigkeit.2 Menschen machen sich diese 'minderwertigen' Spezies unhinterfragt zu eigen – weil sie können. Dieser Ideologie liegt ein immanenter Chauvinismus3 zugrunde, bei dem es um Inklusion und Exklusion geht: Es werden willkürliche Kategorien aufgestellt, um nichtmenschliche Tiere von bestimmten Rechten4 auszuschließen. Diese Grenzziehung zwischen dem 'Wir' und dem 'Anderen', die maßgeblich auf Macht- und Profitinteressen basiert, kennen wir nicht nur aus dem Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren, sondern auch innerhalb der menschlichen Spezies: Herrschaftsansprüche und Diskriminierung aufgrund von Geschlechts-, Staats-, Ethnie-, Klassen- bzw. Schichtenzugehörigkeit usw. sind sowohl historisch als auch gegenwärtig feste Bestandteile menschlichen Lebens. Auch hier werden ähnliche Strategien angewandt, um 'Andere' abzuwerten und zu beherrschen. Bestimmte Individuen werden zum 'Wir' hinzugezählt, genießen Rechte und Zugang zu Ressourcen, von denen die nicht als Zugehörige und damit als minderwertig und irrelevant definierten Individuen, eben aufgrund dieser Kategorisierung, ausgeschlossen werden.

Insbesondere gegenüber Frauen, Menschen anderer Herkunft/Hautfarbe, Behinderten und Kindern fanden und finden in unserer Gesellschaft ähnliche Mechanismen der Unterdrückung statt wie gegenüber anderen Spezies. Alle Versuche der Abwertung zielen auf die 'Natürlichkeit', 'Instinkthaftigkeit' und/oder 'Irrationalität' dieser Individuen ab, die dadurch dem vermeintlich intellektuell und kulturell überlegenen (weißen) Mann bzw. Menschen unterlegen sind und in seiner Verfügungsgewalt stehen. Um die Ähnlichkeit dieser Herrschaftsmechanismen zu verstehen, lohnt sich ein Blick in das abendländische Naturverständnis5, in das hier nur ein kurzer Einblick gegeben werden kann.

Das abendländische Naturverständnis hat sich von der Antike bis heute zwar gewandelt, aber dennoch gibt es Parallelen. Bereits Aristoteles vertrat ein teleologisches Verständnis der Natur, wonach alle Lebewesen einer strikten, statischen Hierarchie unterworfen seien und einen spezifischen, unvermeidlichen Zweck zu erfüllen hätten. Die Spitze dieser Hierarchie bildeten – wen wundert's – die freien, weißen, griechischen Männer, da sie den Göttern am nächsten stünden und am vernunftbegabtesten seien. Aristoteles unterschied zwischen „von Natur Regierenden“ und „von Natur Regierten“: für ihn war die Herrschaft von (freien) Männern gegenüber Frauen, Sklaven und anderen Völkern genauso selbstverständlich und determiniert wie die Herrschaft von Menschen über andere Spezies.6 Ähnlich verhält es sich im Christentum, wonach Menschen bzw. Männer einen göttlichen Herrschaftsauftrag über die Natur zu erfüllen hätten. Die reine göttliche Zweckerfüllung wird um die Teilhabe des Menschen am göttlichen Schöpfungsakt ergänzt. Erst in der Aufklärung wird der teleologische Gedanke von der Natur als ganzheitliches Gefüge aufgegeben, allerdings nicht zum Vorteil derer, die als 'Natur' definiert werden. Descartes entwarf den Dualismus zwischen Geist und Materie, der bis heute als Charakteristikum der Moderne gilt.7 Dies bot nicht nur die Möglichkeit andere Tiere zum geistlosen Material herabzustufen, sondern auch Frauen8 und andere als geistig minderwertig betrachtete Menschen. Mit diesem Dualismus entstand der Dualismus von Natur und Mensch, von Objekt und Subjekt, der alle der 'Natur' zugehörigen zum „unerschöpflichen Warenlager“9 machte, welches denjenigen, die sich als dem 'Geist' zugehörig definieren zur Ausbeutung zur Verfügung steht. Was zur 'Natur' (Materie) oder zum 'Menschen' (Geist) gezählt wird hängt von jeweiligen kulturellen und historischen Kontexten ab. Mit der Berufung auf 'natürliches' Vorrecht degradieren sich die Herrschenden allerdings nach ihrer eigenen Logik selbst zu unfreien, von der 'Natur' determinierten, gegebene Verhältnisse nicht hinterfragen und verändern könnenden Objekten. Sie verstricken sich hierbei in einen unweigerlichen argumentativen Widerspruch, allein mit dem Ziel ihre Herrschaft um jeden Preis zu legitimieren. Speziesismus und andere unterdrückerische Ideologien sind somit kein statisches Gebilde, sondern kulturelle Konstrukte, die sich nur unter Betrachtung der spezifischen Machtverhältnisse und Interessen verstehen lassen.

Warum sollten wir uns als Menschen gegen Speziesismus einsetzen, wo wir doch selbst davon profitieren, weil wir uns an die Spitze der Herrschaft katapultiert haben? Aus genau denselben Gründen, warum Männer gegen männlichen Chauvinismus und patriarchale Herrschaftsstrukturen kämpfen und Ethnien sich gegen Rassismus wehren sollten, auch wenn sie selbst nicht von dieser Unterdrückung betroffen sind. Herrschaft ablehnen bedeutet nicht nur die Herren über sich zu identifizieren und zu entmachten, sondern auch die Sklaven unter sich ausfindig zu machen und sich selbst zu entmachten - kurz: versuchen sich von allen Ebenen der Herrschaft zu befreien.

Beim Antispeziesismus sollte es genausowenig um verniedlichende 'Tierliebe' gehen wie im Antirassismus um romantisierende Vorstellungen von anderen Kulturen. Vielmehr geht es um die Relevanz und Zugestehung einer selbstbestimmten Gestaltung des Lebens anderer Spezies nach ihren jeweiligen sozialen und biologischen Bedürfnissen, Empfindungen, Bewusstseins- und Intelligenzformen und in von ihnen selbst gewählten Lebensräumen – abseits von kapitalistischer, anthroprozentrischer Degradierung als Ware, Konsumgut, Sklaven und Eigentum. Daher impliziert Antispeziesismus notwendigerweise auch eine vegane und antikapitalistische Lebensweise.10 Andere Spezies gehören ebensowenig unter menschliche Verfügungsgewalt wie Frauen unter männliche oder farbige Menschen unter weiße. Ein ernsthaft emanzipatorischer Ansatz erfordert Reflexion über jegliche gesellschaftlichen Rollen, insbesondere auch über solche, in denen man selbst die Herrschaftsposition einnimmt – dazu gehört auch sich mit der Rolle kritisch auseinanderzusetzen, die man als Mensch gegenüber anderen Tieren einnimmt.

Antispeziesismus ist kein Antihumanismus, im Gegenteil: Gleichwertigkeit von allen Tieren bedeutet keine Bevorzugung nichtmenschlicher Tierarten. Genauso wenig wie gleichwertige Frauenrechte eine Benachteiligung von Männern und Bevorzugung von Frauen bedeutet. Denn Unterdrückung von Menschen, weil sie Menschen sind ist ebenfalls eine Form von Speziesismus. Wohl aber geht es darum die absolute menschliche Vormachtstellung zu delegitimieren und die Ideologie von Menschen als 'Krone der Schöpfung' genauso als Illusion zu entlarven und damit den Kampf anzusagen, wie anderen repressiven Ideologien. Dementsprechend richtet sich der Antispeziesismus gegen die Diskriminierung, Unterdrückung, Ausbeutung und Versklavung sämtlicher tierlicher Spezies. Er reiht sich damit ein in Bewegungen wie den Antisexismus, Antifaschismus, Antikapitalismus etc. und setzt diese konsequent fort.



Fußnoten:

1 Einheitsfrontlied - Text: Berthold Brecht/ Melodie: Hanns Eisler; Schönste Interpretation: Ton Steine Scherben.

2 Siehe: Anti Speziesismus: Was ist Speziesismus?. http://www.anti-speziesismus.de/wasistspeziesismus.html.

3 Chauvinismus ist in diesem Artikel definiert als die Zurschaustellung oder das Gefühl vermeintlicher Überlegenheit der eigenen Gruppe und der ggf. daraus resultierenden Ausübung von Herrschaft.

4 „Recht“ ist hier zu verstehen als normativer, inhaltlicher Begriff, in Abgrenzung zum formalen Rechtsbegriff.

5 Spezifisch am abendländischen Naturverständnis ist die Vorstellung von Natur als Determinismus, die in dieser Form nicht in allen anderen Kulturen existiert. Diese ebenfalls vorzustellen würde an dieser Stelle zu weit führen, da durch ein anderes Kultur- und Naturverständnis auch andere Legitimationsstrategien von Herrschaft vorliegen.

6 Siehe u.a.: Aristoteles: Politik, Hamburg 1994, S. 43 ff.; Aristoteles. Tierkunde, Paderborn 1949, S. 49 ff.

7 Uta Eser (1998): Der Naturschutz und das Fremde, S. 112 – 115.

8 Interessant: die etymologische Verwandschaft der Wörter „Mutter“ (indogerm. Stammwort mātér-) und „Materie“.

9 Stefan Heiland (1992): Naturverständnis, S. 36, zitiert nach: Uta Eser (1998 : 114).

10 Es bestehen enorme kapitalistische Interessen an der Ausbeutung und Verwertung anderer Spezies zu unterschiedlichsten Zwecken und der Aufrechterhaltung dieser Verhältnisse. Da diese Verwertungslogik auf den Legitimitätsglauben der zu KonsumentInnen degradierten menschlichen Individuen angewiesen ist, die überzeugt sein müssen, dass sie durch diese Form der Ausbeutung eine privilegierte Stellung einnehmen, obwohl sie von dieser Verwertungsogik nicht verschont bleiben, besteht aus kapitalistischer Sicht keinerlei Interesse auf Propaganda für Ausbeutung und Konsum von anderen Tieren zu verzichten. Aus diesen Gründen ist auch eine Hinterfragung der Herrschaft über nichtmenschlicher Tiere aus kapitalismuskritischer Perspektive von großer Bedeutung. Weiterführende Literatur zu diesem Thema: Offensive für Tierrechte (2000): Beasts of Burden. Kapitalismus - Tiere - Kommunismus.

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