Sexismus & Homophobie I: Blut- & Organspendeverbot für homosexuelle Männer
Die Nachricht traf mich wie ein Schlag. Das Radio lief, ich war noch etwas dösig und fast wieder am einnicken. Dann kam plötzlich das: "Blutspendeverbot für homosexuelle Männer unabhängig vom Sexualverhalten". Und ich war hellwach.
Darauf folgte die Suche im Internet. Hier ein beispielhafter Artikel:
Blutspendeverbot: Homosexuelle fühlen sich diskriminiert (RP ONLINE, 10.08.2009)
Allgemeine Auffälligkeiten: Der Titel des Artikels "Homosexuelle fühlen sich diskriminiert" wirkt etwas verschroben. Zum einen wird suggeriert, es handle sich hier um eine rein subjektive Wahrnehmung und keine "objektive" Diskriminierung, wie sie in diesem Fall tatsächlich explizit und schamlos betrieben wird. Hier wird die Perspektive Homosexueller deutlich von der angeblichen "Realität" getrennt, was in anderen Berichterstattungen der Presse nicht geschieht. Oder hat z.B. schon mal jemand gelesen "Polizei fühlte sich beleidigt", "Polizei entschied sich xy festzunehmen", "Polizei empfindet xy als gefährlich" oder ähnliches?
Wer sich über das Beispiel "Polizei" wundert: diese Kategorie wurde exemplarisch ausgewählt, weil der Unterschied in der sprachlichen Darstellung (subjektiv vs. objektiv) hierbei am deutlichsten wird, nicht um Polizist_innen zu diskriminieren. Der_die geneigte Leser_in kann spaßeshalber einmal auf der Homepage der RP in Suchfeld "Polizei musste" eingeben und wird geschlagene acht Seiten mit jeweils acht Artikeln, also insgesamt 64 Artikel, präsentiert bekommen, in dem dieser determinierende Jargon im Zusammenhang mit der Polizei gewählt wurde. Die Wahrnehmung der Polizei wird üblicherweise als objektive Realität dargestellt, neben der es keine andere gibt. Bei Homosexuellen gilt dies nicht. Hier wird in der Regel im Konjunktiv gesprochen, determinierendes Vokabular vermieden und die Perspektive von Homosexuellen explizit als subjektiv und nicht objektiv markiert, egal ob eine unbestreitbar objektive, z.B. gesetzliche, Diskriminierung vorliegt oder nicht. Diese Tendenz ist nicht nur bei der RP vorhanden, sondern zieht sich fast durch die gesamte Presselandschaft.
Zum anderen fällt die Wortwahl "Homosexuelle" ins Auge. Dabei handelt es sich bei den Diskriminierten ausschließlich um homosexuelle (und bisexuelle) Männer, nicht um Homosexuelle generell. Der Titel vermittelt allerdings entweder, dass alle Homosexuellen diskriminiert werden oder dass Homosexualität - wie es meist der gesellschaftlichen Praxis entspricht - automatisch als "männlich" oder "schwul" gedacht wird, als gäbe es keine homosexuellen Frauen. Vielleicht sorgen letztere im öffentlichen Diskurs nicht (mehr) für eine derartige Empörung? Fragt sich nur warum ein Großteil der (heterosexuellen) Welt sich von schwulen Männern derart bedroht fühlt, inklusive teilweise stark ausgeprägtem Hass, Ablehnung und Ekel... Aber das nur als Gedanken am Rande, die - so es Zeit und Muße zulassen - in einem gesonderten Blogeintrag behandelt werden.
Nun aber zum Inhalt des Artikels: Ich bin sprachlos. Diese Regelung war mir bisher unbekannt.
Nicht nur, dass AIDS als "Schwulenkrankheit" zu propagieren, maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich der HI-Virus erst so gut verbreiten konnte, weil sich alle anderen Gruppen außerhalb der "Gefahrenzone" wähnten. Nein, hier wird Schwulendiskriminierung als legitime Form von Homophobie dargestellt, an der angeblich jeder "vernünftige" Mensch ein Interesse zu haben hat.
Das was die werten Entscheidungsträger/innen hier tun nennt man in der Wissenschaft einen ökologischen Fehlschluss:
Es wird vom Verhältnis der festgestellten HIV-Infektionen auf eine gesamte gesellschaftliche Gruppe und auf jedes dieser Gruppe zugeordnete Individuum geschlossen.
Warum ist das so fatal?
1. Die reale Anzahl von HIV-Infizierten ist unbekannt, es wird ausschließlich von bestehenden Diagnosen ausgegangen. Wer sich nicht testen lässt, bei dem kann auch keine HIV-Infektion festgestellt werden. Vielleicht sind schwule Männer einfach wesentlich verantwortungsvoller und es lassen sich prozentual wesentlich mehr Personen dieser Gruppe auf HIV testen als heterosexuelle Männer/Frauen oder homosexuelle Frauen. Das Verantwortungsbewusstsein schwuler Männer dann noch als Munition zu verwenden, diese komplette Gruppe und jeden schwulen Mann zu diskriminieren, ist ein unmissverständliches Signal von Heimtücke oder zumindest von ausschweifender Ignoranz. Es wird sich sicherlich kein schwuler Mann, der positiv auf HIV getestet wurde für eine Blut- oder Organspende zur Verfügung stellen. Wie hoch ist jedoch der Anteil der Heterosexuellen, die sich regelmäßig auf HIV testen lassen? Der dürfte verschwindend gering sein, weil sich diese Menschen häufig nicht des Risikos bewusst sind und sich weniger betroffen fühlen.
2. Wie hoch ist die Anzahl an HIV-infizierten, schwulen Männern und wie hoch ist die Anzahl der homosexuellen Männern insgesamt? Das Verhältnis wird sicherlich enorm auseinanderklaffen. Zudem wäre es auch interessant zu wissen, wieviele homosexuelle Männer, die sich einem HIV-Test unterziehen eine negative Diagnose bekommen, d.h. dass sie kein HIV haben. Hier wird suggeriert als seien schwule Männer per se HIV-infiziert. Dabei sind sie nicht infiziert, sie werden stigmatisiert. Das zwei völlig unterschiedliche Dinge. Hier wird nicht mit Fakten operiert, sondern mit bestehenden Ressentiments und Vorurteilen. Warum sonst wird bei heterosexuellen Männern differenziert und bei homosexuellen oder bisexuellen Männern pauschalisiert?
3. Bei jeder Blut- oder Organspende wird man auf entsprechende Krankheiten untersucht, zumindest sollte das geschehen. Blutspendeskandale, wie in diesem Artikel geschehen, den homosexuellen Männern in die Schuhe zu schieben ist schlichtweg unverschämt. Das Versäumnis bzw. das Sicherheitsrisiko liegt hier bei den Institutionen, die gespendetes Blut bzw. Organe nicht sicherheitsgemäß auf Krankheiten untersuchen.
Homosexuelle Männer dürfen selbst dann nicht Blut spenden, wenn sie keine Sexpartner haben oder in rein monogamen Beziehungen leben und einwandfrei HIV-negativ getestet wurden.
Da es seit ca. 30 Jahren homosexuellen Männern in Deutschland verboten ist Blut und Organe zu spenden, können die immer wieder vorkommenden Probleme mit solchen Spenden auch nicht dieser Personengruppe angelastet werden, da das infizierte "Material" gar nicht von ihnen stammen kann. Dennoch passieren solche "Pannen" immer wieder, was darauf schließen lässt, dass riskantes und unverantwortliches Verhalten an anderer Stelle vorliegt.
4. Homosexuell/bisexuell und männlich zu sein bedeutet nicht promiskuitiv zu sein. Heterosexuell oder lesbisch zu sein bedeutet auch nicht ein monogames Leben zu führen. Auch ein promiskuitives Leben zu führen beinhaltet nicht zwangsläufig einen unverantwortungsvollen Umgang mit Verhütungsmitteln. Es gibt viele promiskuitive Menschen, die wesentlich bessere Sicherheitsvorkehrungen beim Geschlechtsverkehr treffen, als Menschen die sich einer seriellen Monogamie verschreiben, oder die in Partnerschaften leben und heimlich fremdgehen.
Es gibt auch viele heterosexuell lebende Menschen, die in festen Partnerschaften leben, in denen mindestens einer der Partner auch mit anderen Menschen sexuell verkehrt und diese Menschen weigern sich dennoch Kondome zu benutzen mit der Begründung Kondome würden nerven - Tja, "Geschlechtskrankheiten nerven auch", könnte man darauf erwiedern. Wieviele heterosexuelle oder lesbische Menschen gibt es, die sich sprichwörtlich "durch die Welt vögeln" oder die neben dem festen Partner heimliche One-Night-Stands oder Affären haben, und um dies weiterhin zu verheimlichen nicht plötzlich mit dem Präservativ anrücken wollen und sagen "Hallo Schatz, ich hab mit jemand anderem geschlafen und zu deiner Sicherheit machen wir es jetzt mit Kondom bis bei mir jegliche Geschlechtskrankheit ausgeschlossen wurde"? Viele dieser Menschen unterziehen sich keinen regelmäßigen HIV-Tests, wie es ein verantwortungsvoller Umgang mit seinen Sexpartnern eigentlich gebieten würde. Dennoch werden heterosexuelle und lesbische Personen nicht pauschal nach sexueller Orientierung diskriminiert und unter Generalverdacht gestellt, nur weil es mehr oder weniger viele Menschen ihrer Gruppe zu vielen Sexpartnern oder riskantem Sexualverhalten hinzieht. Zudem gibt es auch viele heterosexuell lebende Menschen, die Analsex praktizieren und auch schwuler Sex beschränkt sich nicht auf den Anus.
5. HIV/AIDS ist keine reine Geschlechtskrankheit. Der Virus wird über viele Wege übertragen, in denen er mit einer (nicht unbedingt sichtbaren) Körperwunde in Berührung kommt und in den Blutkreislauf eindringen kann. Einer davon ist der Geschlechtsverkehr. Wann wird nun endlich das Märchen von der "Schwulenkrankheit" AIDS verbannt und erkannt, dass wir alle einem mehr oder weniger großen Risiko ausgesetzt sind? Die Verantwortlichen für das Blutspendeverbot halten dieses Märchen bewusst aufrecht: sie forcieren Ressentiments gegenüber schwulen Männern (man bedenke, dass damit auch jeder Schwule als "HIV-ansteckend" stigmatisiert wird, wie ein Leprakranker!) und wiegen damit automatisch die anderen Personengruppen in Sicherheit, die dann denken "wir sind ja keine Risikogruppe, uns kann das nicht so leicht passieren". Ein verantwortungsvoller, konsequenter, aber gelassener Umgang mit dem Thema AIDS und HIV in allen gesellschaftlichen Gruppen wäre wesentlich mehr im Interesse der Gesundheit aller Menschen, als jeden homosexuellen Mann an den Pranger zu stellen. Schließlich müsste sonst auch jeder Mensch, der mit Schwulen Kontakt pflegt, ihnen allein schon die Hände schüttelt, als Risikogruppe klassifiziert werden, oder schwule Männer müssten vollkommen vom Rest der Gesellschaft isoliert werden. Das wäre in der Tat an Menschenverachtung nicht zu toppen. Und selbst dann gäbe es - auch wenn es Homophoben nicht ins Weltbild passt - HIV und AIDS. Der HI-Virus ist in dieser Hinsicht nämlich sehr egalitär und wählt sich seinen Wirt nicht nach dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung aus.
Bleibt zu fragen, inwiefern es sinnvoll ist, das Sexualleben eines Menschen derart detailliert auseinander zu nehmen (und diese Daten womöglich auch noch an die Krankenkassen weiterzuleiten? Stichwort: Datenschutz), oder sich vielleicht doch eher an realen Fakten zu orientieren, d.h. Sicherheit dort zu gewährleisten, wo sie Sinn macht und unbedingt notwendig ist: nämlich im medizinischen Bereich auf tatsächlich vorliegende Krankheiten zu testen. Das ist ein wesentlich besserer Ratgeber als Personengruppen aufgrund ihrer geschlechtlichen Präferenzen zu stigmatisieren. Es scheint mir auch eine reine Symptombekämpfung oder ein Ablenkungsmanöver zu sein, die Sicherheit von gespendetem Blut und Organen an den Merkmalen "homosexuell" und "männlich" festzumachen. Pannen lassen sich nicht dadurch vermeiden, dass man homosexuelle Männer kategorisch ausschließt, sondern dadurch, dass das medizinische Personal verantwortungsvoll und sicher handelt. Das heißt auch, dass es im Gesundheitsbereich nicht nach Profitmaximierung, d.h. möglichst geringe Kosten bei höchstmöglichem Gewinn, auf Kosten von Mitarbeiter/innen, Gesundheit und Sicherheit gehen darf. Hier liegt viel mehr im Argen als bei schwulen Männern. Auch wenn man diese - aufgrund ohnehin schon bestehender Homophobie in der Gesellschaft - leichter vors Loch schieben kann, statt sich mit den Ursachen von medizinischen Sicherheitsmängeln zu beschäftigen.
Auf die Sicherheit der Menschen, die die Spenden empfangen zielt diese Praxis sicherlich nicht ab. Ich fände es enorm zynisch und menschenverachtend, wenn ich vor mich hin vegetiere, obwohl ich von einem gesunden schwulen Mann eine wundervolle, gesunde Niere bekommen könnte, dieser sie aber nicht spenden und ich sie nicht empfangen darf, nur weil er schwul ist.
Irgendwelche Scheinargumente wurden schon immer für Homophobie angewendet, sei es das Verbot von homosexuellen Kontakten zwischen Männern, das bis 1994 in der ach so demokratischen Bundesrepublik Deutschland galt, oder die Diskriminierung von Homosexuellen im Adoptions- und Eherecht. Diese "Argumente" basieren stets auf kulturellen Ressentiments, die mit angeblichen "objektiven Gefahren" versucht werden zu verschleiern bzw. zu legitimieren. Das mag im konkreten Fall vielleicht auch daran liegen, dass die Kirchen einen nicht unerheblichen Einfluss in diesem Bereich haben. Ein Schelm, wer böses dabei denkt...
Ich stelle mich hier eindeutig auf die Seite der homosexuellen Männer und gegen jegliche Diskriminierung. Ich finde es ist längst überfällig, dass dieses Thema an die Öffentlichkeit kommt und frage mich, warum das erst jetzt passiert. Ich bin sicher, die meisten Menschen wussten bisher nichts von dieser unverschämt homophoben, sexistischen Praxis.
Wie sieht es eigentlich mit der Beschäftigung von homosexuellen Männern im medizinischen Bereich aus? Dürfen schwule Männer auch nicht als Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter praktizieren, weil sie schwul sind? Das wäre die selbe abstruse Logik und daher durchaus denkbar.
Darauf folgte die Suche im Internet. Hier ein beispielhafter Artikel:
Blutspendeverbot: Homosexuelle fühlen sich diskriminiert (RP ONLINE, 10.08.2009)
Allgemeine Auffälligkeiten: Der Titel des Artikels "Homosexuelle fühlen sich diskriminiert" wirkt etwas verschroben. Zum einen wird suggeriert, es handle sich hier um eine rein subjektive Wahrnehmung und keine "objektive" Diskriminierung, wie sie in diesem Fall tatsächlich explizit und schamlos betrieben wird. Hier wird die Perspektive Homosexueller deutlich von der angeblichen "Realität" getrennt, was in anderen Berichterstattungen der Presse nicht geschieht. Oder hat z.B. schon mal jemand gelesen "Polizei fühlte sich beleidigt", "Polizei entschied sich xy festzunehmen", "Polizei empfindet xy als gefährlich" oder ähnliches?
Wer sich über das Beispiel "Polizei" wundert: diese Kategorie wurde exemplarisch ausgewählt, weil der Unterschied in der sprachlichen Darstellung (subjektiv vs. objektiv) hierbei am deutlichsten wird, nicht um Polizist_innen zu diskriminieren. Der_die geneigte Leser_in kann spaßeshalber einmal auf der Homepage der RP in Suchfeld "Polizei musste" eingeben und wird geschlagene acht Seiten mit jeweils acht Artikeln, also insgesamt 64 Artikel, präsentiert bekommen, in dem dieser determinierende Jargon im Zusammenhang mit der Polizei gewählt wurde. Die Wahrnehmung der Polizei wird üblicherweise als objektive Realität dargestellt, neben der es keine andere gibt. Bei Homosexuellen gilt dies nicht. Hier wird in der Regel im Konjunktiv gesprochen, determinierendes Vokabular vermieden und die Perspektive von Homosexuellen explizit als subjektiv und nicht objektiv markiert, egal ob eine unbestreitbar objektive, z.B. gesetzliche, Diskriminierung vorliegt oder nicht. Diese Tendenz ist nicht nur bei der RP vorhanden, sondern zieht sich fast durch die gesamte Presselandschaft.
Zum anderen fällt die Wortwahl "Homosexuelle" ins Auge. Dabei handelt es sich bei den Diskriminierten ausschließlich um homosexuelle (und bisexuelle) Männer, nicht um Homosexuelle generell. Der Titel vermittelt allerdings entweder, dass alle Homosexuellen diskriminiert werden oder dass Homosexualität - wie es meist der gesellschaftlichen Praxis entspricht - automatisch als "männlich" oder "schwul" gedacht wird, als gäbe es keine homosexuellen Frauen. Vielleicht sorgen letztere im öffentlichen Diskurs nicht (mehr) für eine derartige Empörung? Fragt sich nur warum ein Großteil der (heterosexuellen) Welt sich von schwulen Männern derart bedroht fühlt, inklusive teilweise stark ausgeprägtem Hass, Ablehnung und Ekel... Aber das nur als Gedanken am Rande, die - so es Zeit und Muße zulassen - in einem gesonderten Blogeintrag behandelt werden.
Nun aber zum Inhalt des Artikels: Ich bin sprachlos. Diese Regelung war mir bisher unbekannt.
Nicht nur, dass AIDS als "Schwulenkrankheit" zu propagieren, maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich der HI-Virus erst so gut verbreiten konnte, weil sich alle anderen Gruppen außerhalb der "Gefahrenzone" wähnten. Nein, hier wird Schwulendiskriminierung als legitime Form von Homophobie dargestellt, an der angeblich jeder "vernünftige" Mensch ein Interesse zu haben hat.
Das was die werten Entscheidungsträger/innen hier tun nennt man in der Wissenschaft einen ökologischen Fehlschluss:
Es wird vom Verhältnis der festgestellten HIV-Infektionen auf eine gesamte gesellschaftliche Gruppe und auf jedes dieser Gruppe zugeordnete Individuum geschlossen.
Warum ist das so fatal?
1. Die reale Anzahl von HIV-Infizierten ist unbekannt, es wird ausschließlich von bestehenden Diagnosen ausgegangen. Wer sich nicht testen lässt, bei dem kann auch keine HIV-Infektion festgestellt werden. Vielleicht sind schwule Männer einfach wesentlich verantwortungsvoller und es lassen sich prozentual wesentlich mehr Personen dieser Gruppe auf HIV testen als heterosexuelle Männer/Frauen oder homosexuelle Frauen. Das Verantwortungsbewusstsein schwuler Männer dann noch als Munition zu verwenden, diese komplette Gruppe und jeden schwulen Mann zu diskriminieren, ist ein unmissverständliches Signal von Heimtücke oder zumindest von ausschweifender Ignoranz. Es wird sich sicherlich kein schwuler Mann, der positiv auf HIV getestet wurde für eine Blut- oder Organspende zur Verfügung stellen. Wie hoch ist jedoch der Anteil der Heterosexuellen, die sich regelmäßig auf HIV testen lassen? Der dürfte verschwindend gering sein, weil sich diese Menschen häufig nicht des Risikos bewusst sind und sich weniger betroffen fühlen.
2. Wie hoch ist die Anzahl an HIV-infizierten, schwulen Männern und wie hoch ist die Anzahl der homosexuellen Männern insgesamt? Das Verhältnis wird sicherlich enorm auseinanderklaffen. Zudem wäre es auch interessant zu wissen, wieviele homosexuelle Männer, die sich einem HIV-Test unterziehen eine negative Diagnose bekommen, d.h. dass sie kein HIV haben. Hier wird suggeriert als seien schwule Männer per se HIV-infiziert. Dabei sind sie nicht infiziert, sie werden stigmatisiert. Das zwei völlig unterschiedliche Dinge. Hier wird nicht mit Fakten operiert, sondern mit bestehenden Ressentiments und Vorurteilen. Warum sonst wird bei heterosexuellen Männern differenziert und bei homosexuellen oder bisexuellen Männern pauschalisiert?
3. Bei jeder Blut- oder Organspende wird man auf entsprechende Krankheiten untersucht, zumindest sollte das geschehen. Blutspendeskandale, wie in diesem Artikel geschehen, den homosexuellen Männern in die Schuhe zu schieben ist schlichtweg unverschämt. Das Versäumnis bzw. das Sicherheitsrisiko liegt hier bei den Institutionen, die gespendetes Blut bzw. Organe nicht sicherheitsgemäß auf Krankheiten untersuchen.
Homosexuelle Männer dürfen selbst dann nicht Blut spenden, wenn sie keine Sexpartner haben oder in rein monogamen Beziehungen leben und einwandfrei HIV-negativ getestet wurden.
Da es seit ca. 30 Jahren homosexuellen Männern in Deutschland verboten ist Blut und Organe zu spenden, können die immer wieder vorkommenden Probleme mit solchen Spenden auch nicht dieser Personengruppe angelastet werden, da das infizierte "Material" gar nicht von ihnen stammen kann. Dennoch passieren solche "Pannen" immer wieder, was darauf schließen lässt, dass riskantes und unverantwortliches Verhalten an anderer Stelle vorliegt.
4. Homosexuell/bisexuell und männlich zu sein bedeutet nicht promiskuitiv zu sein. Heterosexuell oder lesbisch zu sein bedeutet auch nicht ein monogames Leben zu führen. Auch ein promiskuitives Leben zu führen beinhaltet nicht zwangsläufig einen unverantwortungsvollen Umgang mit Verhütungsmitteln. Es gibt viele promiskuitive Menschen, die wesentlich bessere Sicherheitsvorkehrungen beim Geschlechtsverkehr treffen, als Menschen die sich einer seriellen Monogamie verschreiben, oder die in Partnerschaften leben und heimlich fremdgehen.
Es gibt auch viele heterosexuell lebende Menschen, die in festen Partnerschaften leben, in denen mindestens einer der Partner auch mit anderen Menschen sexuell verkehrt und diese Menschen weigern sich dennoch Kondome zu benutzen mit der Begründung Kondome würden nerven - Tja, "Geschlechtskrankheiten nerven auch", könnte man darauf erwiedern. Wieviele heterosexuelle oder lesbische Menschen gibt es, die sich sprichwörtlich "durch die Welt vögeln" oder die neben dem festen Partner heimliche One-Night-Stands oder Affären haben, und um dies weiterhin zu verheimlichen nicht plötzlich mit dem Präservativ anrücken wollen und sagen "Hallo Schatz, ich hab mit jemand anderem geschlafen und zu deiner Sicherheit machen wir es jetzt mit Kondom bis bei mir jegliche Geschlechtskrankheit ausgeschlossen wurde"? Viele dieser Menschen unterziehen sich keinen regelmäßigen HIV-Tests, wie es ein verantwortungsvoller Umgang mit seinen Sexpartnern eigentlich gebieten würde. Dennoch werden heterosexuelle und lesbische Personen nicht pauschal nach sexueller Orientierung diskriminiert und unter Generalverdacht gestellt, nur weil es mehr oder weniger viele Menschen ihrer Gruppe zu vielen Sexpartnern oder riskantem Sexualverhalten hinzieht. Zudem gibt es auch viele heterosexuell lebende Menschen, die Analsex praktizieren und auch schwuler Sex beschränkt sich nicht auf den Anus.
5. HIV/AIDS ist keine reine Geschlechtskrankheit. Der Virus wird über viele Wege übertragen, in denen er mit einer (nicht unbedingt sichtbaren) Körperwunde in Berührung kommt und in den Blutkreislauf eindringen kann. Einer davon ist der Geschlechtsverkehr. Wann wird nun endlich das Märchen von der "Schwulenkrankheit" AIDS verbannt und erkannt, dass wir alle einem mehr oder weniger großen Risiko ausgesetzt sind? Die Verantwortlichen für das Blutspendeverbot halten dieses Märchen bewusst aufrecht: sie forcieren Ressentiments gegenüber schwulen Männern (man bedenke, dass damit auch jeder Schwule als "HIV-ansteckend" stigmatisiert wird, wie ein Leprakranker!) und wiegen damit automatisch die anderen Personengruppen in Sicherheit, die dann denken "wir sind ja keine Risikogruppe, uns kann das nicht so leicht passieren". Ein verantwortungsvoller, konsequenter, aber gelassener Umgang mit dem Thema AIDS und HIV in allen gesellschaftlichen Gruppen wäre wesentlich mehr im Interesse der Gesundheit aller Menschen, als jeden homosexuellen Mann an den Pranger zu stellen. Schließlich müsste sonst auch jeder Mensch, der mit Schwulen Kontakt pflegt, ihnen allein schon die Hände schüttelt, als Risikogruppe klassifiziert werden, oder schwule Männer müssten vollkommen vom Rest der Gesellschaft isoliert werden. Das wäre in der Tat an Menschenverachtung nicht zu toppen. Und selbst dann gäbe es - auch wenn es Homophoben nicht ins Weltbild passt - HIV und AIDS. Der HI-Virus ist in dieser Hinsicht nämlich sehr egalitär und wählt sich seinen Wirt nicht nach dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung aus.
Bleibt zu fragen, inwiefern es sinnvoll ist, das Sexualleben eines Menschen derart detailliert auseinander zu nehmen (und diese Daten womöglich auch noch an die Krankenkassen weiterzuleiten? Stichwort: Datenschutz), oder sich vielleicht doch eher an realen Fakten zu orientieren, d.h. Sicherheit dort zu gewährleisten, wo sie Sinn macht und unbedingt notwendig ist: nämlich im medizinischen Bereich auf tatsächlich vorliegende Krankheiten zu testen. Das ist ein wesentlich besserer Ratgeber als Personengruppen aufgrund ihrer geschlechtlichen Präferenzen zu stigmatisieren. Es scheint mir auch eine reine Symptombekämpfung oder ein Ablenkungsmanöver zu sein, die Sicherheit von gespendetem Blut und Organen an den Merkmalen "homosexuell" und "männlich" festzumachen. Pannen lassen sich nicht dadurch vermeiden, dass man homosexuelle Männer kategorisch ausschließt, sondern dadurch, dass das medizinische Personal verantwortungsvoll und sicher handelt. Das heißt auch, dass es im Gesundheitsbereich nicht nach Profitmaximierung, d.h. möglichst geringe Kosten bei höchstmöglichem Gewinn, auf Kosten von Mitarbeiter/innen, Gesundheit und Sicherheit gehen darf. Hier liegt viel mehr im Argen als bei schwulen Männern. Auch wenn man diese - aufgrund ohnehin schon bestehender Homophobie in der Gesellschaft - leichter vors Loch schieben kann, statt sich mit den Ursachen von medizinischen Sicherheitsmängeln zu beschäftigen.
Auf die Sicherheit der Menschen, die die Spenden empfangen zielt diese Praxis sicherlich nicht ab. Ich fände es enorm zynisch und menschenverachtend, wenn ich vor mich hin vegetiere, obwohl ich von einem gesunden schwulen Mann eine wundervolle, gesunde Niere bekommen könnte, dieser sie aber nicht spenden und ich sie nicht empfangen darf, nur weil er schwul ist.
Irgendwelche Scheinargumente wurden schon immer für Homophobie angewendet, sei es das Verbot von homosexuellen Kontakten zwischen Männern, das bis 1994 in der ach so demokratischen Bundesrepublik Deutschland galt, oder die Diskriminierung von Homosexuellen im Adoptions- und Eherecht. Diese "Argumente" basieren stets auf kulturellen Ressentiments, die mit angeblichen "objektiven Gefahren" versucht werden zu verschleiern bzw. zu legitimieren. Das mag im konkreten Fall vielleicht auch daran liegen, dass die Kirchen einen nicht unerheblichen Einfluss in diesem Bereich haben. Ein Schelm, wer böses dabei denkt...
Ich stelle mich hier eindeutig auf die Seite der homosexuellen Männer und gegen jegliche Diskriminierung. Ich finde es ist längst überfällig, dass dieses Thema an die Öffentlichkeit kommt und frage mich, warum das erst jetzt passiert. Ich bin sicher, die meisten Menschen wussten bisher nichts von dieser unverschämt homophoben, sexistischen Praxis.
Wie sieht es eigentlich mit der Beschäftigung von homosexuellen Männern im medizinischen Bereich aus? Dürfen schwule Männer auch nicht als Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter praktizieren, weil sie schwul sind? Das wäre die selbe abstruse Logik und daher durchaus denkbar.
campcat mafia - 12. Aug, 15:34